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Europa ist gescheitert

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Jedes Mal wenn man denkt, die EU-Kakistokratie hat den Tiefpunkt des paneuropäischen Schmierentheaters erreicht, legt die Kommissionspräsidentin noch eine Schippe drauf. So auch vergangenen Monat, als die EU wortreich das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Rumänien mit der wilden These anzweifelte, dass Russland das Wahlergebnis durch gezielte Beeinflussung der Akteure in seinem Sinne „gedreht“ hat.

Konkret ging es um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl, das der Kandidat Jalin Georgescu im ersten Durchlauf für sich entscheiden konnte. Nunmehr hat ein Gericht in Rumänien das Ergebnis der Erstwahl annulliert. Interessant hierbei ist, dass dasselbe Gericht zuvor zunächst die Ursprungswahl als rechtmäßig bestätigte, nur um seine eigene Bestätigung sodann vier Tage später wieder aufzuheben.

Nun fragt man sich natürlich, was in den vier Tage passiert war, dass zu einem grundsätzlichen Sinneswandel in der Judikative geführt hat. Nun – eigentlich nicht viel. Bis auf den Umstand, dass das U.S. State Department sowie der U.S.-Außenminister Blinken im Kontext des üblichen NATO-Gefasels plötzlich vor einer Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahl in Rumänien warnten. Witzigerweise wurde hierbei TikTok als Quelle herangezogen – also ausgerechnet diejenige Social Media Plattform, die mindestens seit 2020 händchenhaltend mit der U.S. Administration das 1,5 Mrd. US Dollar schwere Projekt „Texas“ umgesetzt hat. Im Rahmen dieses Projekts wurden die Daten der TikTok-Nutzer nach Austin/Texas zwangsumgesiedelt und dort in die technische Obhut von Oracle gegeben – einem Unternehmen, das nicht nur schnöde Datenbankprodukte und -services feilbietet, sondern das auch außergewöhnlich gute Beziehungen zur CIA hat. Im Zuge der Relokation der Nutzerdaten von TikTok nach Austin änderte sich auch die Beschäftigtenstruktur von TikTok insbesondere auf der Führungsebene signifikant: Die chinesischen Geheimdienstmitarbeiter bei Bytedance flogen nach China zurück, während Mitarbeiter von CIA, FBI und der israelischen Einheit 8200 (u.a. verantwortlich für das Projekt „Lavender“) durch die Drehtür hereinkamen.

Warum ist dies nun im Kontext der Präsidentenwahl in Rumänien relevant? Nun, interessanterweise hat TikTok unter Berufung auf sein hochqualifiziertes Personal in Texas verlauten lassen, dass sie informationstechnisch und algorithmisch jeden Stein in ihren Datentrögen umgedreht haben und nicht den geringesten Anhaltspunkt für Unregelmäßigkeiten im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen sowie eine irgendwie geartete russische Inteferenz diesbezüglich finden konnten. Die Ironie an der Geschichte: Das U.S. State Department und das U.S. Außenministerium hätten sich vor Herausgabe des Statements zur vermeintlichen russischen Wahlbeeinflussung auf TikTok nur vorab mit den vielen hochbezahlten U.S.-Regierungs-U-Booten in der TikTok Dependance Austin abstimmen sollen, um die gemeinsame Storyline „rund“ zu machen. Aber so ist diese Möglichkeit in den Wirren der Administration einfach hängengeblieben. Eben ein typisches Layer 8-Versagen.

Nun kann man sich anhand der Sachlage aussuchen, ob man dem Statement der U.S. Bediensteten bei Bytedance oder aber der rumänischen Securitate-Nachfolgeorganisation SRI (Serviciul roman de informatii, Rumänischer Informationsdienst) bzgl. der Wahlbeeinflussungsvorwürfe Glauben schenken will. Entscheidungshilfe könnte hier die Information leisten, dass Grundlage der gerichtlichen Entscheidung geheime Dokumente aus einer geheimen Untersuchung des rumänischen Geheimdienstes waren, die natürlich geheim waren, als der noch amtierende Präsident Klaus Johannis dem Gericht diese zur geheimen Prüfung übergab. Ebenfalls nicht ganz nebensächlich ist der Umstand, dass der Präsident als Vorsitzender des Verteidigungsrates nicht nur für die obersten Richter, Staatsanwälte und Geheimdienstchefs verantwortlich ist, sondern dass ihm mit dem Securitate-Nachfolger eine Behörde direkt und persönlich untersteht, die nunmehr mittelbar zu seinen Gunsten Wahlfählschungsvorwürfe gegen den den Kandidaten Georgescu erhebt.

Hier schließt sich nunmehr der Kreis: Die Partei des Noch-Präsidenten Johannis, die PNL, trat nach dessen erster Wahl im Jahre 2014 aus dem EU-Parteibündnis der Liberalen aus und wechselte in das Lager der von Manfred Weber geführten EVP – dem institutionalisierten Rückgrat der Kommissionspräsidentin von der Leyen. Weber, der 2019 zu Gunsten von von der Leyen auf seinen Spitzenkandidatenplatz für den Posten des Kommissionspräsidenten verzichtete, führt nunmehr seit knapp 10 Jahren die EVP im Europäischen Parlament und bestimmt damit, vermittelt über die Kommissionspräseidentin, die maßgebliche Leitlinien der Europapolitik.

Der rumänische Noch-Präsident auf der anderen Seite bemühte sich schon seit einiger Zeit, lukrative Nachfolgejobs (bpsw. NATO-Generalsekretär oder EU-Sondergesandter für die Ukraine) zu akquirieren – bisher glücklicherweise erfolglos. Insoweit klammert er sich also bis zur Nachfolgeverwendung an seinen jetzigen Posten als Präsident – auch wenn für ihn nach der Verfassung Rumäniens eine Wiederwahl nicht in Betracht kommt und damit verfassungswidrig ist.

Da man in der Kommission allerdings sehr genau weiß, was man an Rumänien hat (Aufmarschgebiet für die NATO mit einem Stützpunkt, der um ein mehrfaches größer als der US-Stützpunkt in Rammstein ist, ungehinderter Zugang zum Schwarzen Meer sowie Truppenstützpunkte an der Grenze zur Ukraine), ist man im Parlament und in der Kommission (und die wiederum im engen Schulterschluss mit den transatlantischen Freunden) auch sehr entgegenkommend in Bezug auf die nationalstaatlichen Probleme, die so manche Freunde des rumänischen Noch-Präsidenten mit sich herumtragen – wie beispielsweise die derzeitige EU-Oberstaatsanwältin, die Rumänin Laura Kövesi. Kövesi war in Rumänien bis 2018 Vorsitzende der Anitkorruptionsbehörde, bis der Präsident Johannis durch das Verfassungsgericht gezwungen wurde, sie als solche zu entlassen – sie hatte ein paar menschliche Defizite im Umgang mit Mitarbeitern ihrer Behörde an den Tag gelegt. Später kam dann noch eine Anklage wegen Amtsmissbrauch, missbräuchlicher Ermittlungen, ungerechtfertigter Repression, Bestechlichkeit und Falschaussage hinzu. Dies hinderte die Kommission freilich nicht daran, sie 2019, übrigens gleichzeitig mit der Wahl von der Leyens zur Kommissionspräsidentin, zur Chefin der Europäischen Staatsanwaltschaft EPPO zu machen und damit der glücklichen Fügung der Immunität Kövesis für die ihr in Rumänien angelasteten Straftaten Vorschub zu leisten.

Das Verhältnis zwischen von der Leyen und Kövesi ist zwischenzeitlich durchaus fruchtbar – und zwar für beide Seiten: Als sich die Kommissionspräsidentin in Lüttich einer Klage eines Belgiers stellen musste, nahm Kövesi die Rolle der Pressestelle der Kommissionspräsidentin ein, protestierte in Gänze gegen das Verfahren und verwies vehement auf die Immunität von der Leyens. Die erstaunte Allgemeinheit hätte dagegen erwartet, dass Kövesi in ihrer Rolle als Oberstaatsanwältin der EPPO Licht in das Dunkel der Pfizer-SMS-Affäre bringen würde. Aber weit gefehlt – man kennt und schätzt sich eben in der EU-Exekutive.

Auf der anderen Seite ist es verständlich, dass sich die Kommission mit ihren Statements zu den Präsidentschaftswahlen in Rumänien so vehement auf die Seite des Noch-Präsidenten schlägt. Aus Sicht der EU-Kommission ist es nicht hinnehmbar, dass in der anstehenden Präsidentenwahl der kriegsaverse Diplomat Georgescu das Zepter in Rumänien übernimmt und damit die US-Blockpolitik und die NATO-Anbindung in der Region untergräbt. Das dabei 63 % der Wähler in Rumänien sowie 70 % der rumänischen Auslandswähler eben jenen Herrn Georgescu als Präsidenten bevorzugen, ist für die EU freilich kein achtenswerter Grund, sich nicht in die dortige Wahl einzumischen – warum auch – schließlich gibt es neben dem amerikanischen ja auch noch den EU-Exzeptionalismus.

Dabei ist dies freilich nur das I-Pünktchen in einer lange Serie von nur schwer nachvollziehbaren Entscheidungen, die den Weg Rumäniens in die EU sowie den Schengen-Raum ebneten. Noch 2023 wegen der dortigen Korruption als shithole conuntry auf der EU-Watchlist stehend, mutierte Rumänien innerhalb kürzester Zeit zu einem beispiellosen Rechtsstaat, der als Musterknabe über sämtliche Zweifel erhaben war. Nun wissen wir aber auch, dass die EU-Mitgliedschaft Rumäniens weniger auf der Befolgung des vermeintlichen EU-Werte- und Rechtekanons, als dessen strategischer Lage geschuldet war. Das letzte unappetitliche Detail zum ganzen „Die Russen intervenieren in Rumänien“-Bohei findet sich in einem Artikel einer rumänischen Website, nach der die rechtspopulistische Regierungspartei PNL die Tiktok-Kampagne für den angeblich pro-russischen Präsidentschaftskandidaten Jalin Georgescu bezahlt haben.

About the author

Michael Bunzel

Michael Bunzel (aka maschasan) is a lawyer and engineer currently living in Germany. He has been working in the field of Cybersecurity and related laws and regulations for over 25 years now.

Mike took on various roles and functions in the context of Information Security, Cybersecurity, and SCADA/Shopfloor Security at a German car manufacturer in southern Germany for more than fifteen years - currently in the R&D resort, with focus on E/E-systems in the context of automotive cybersecurity and related regulations in different markets (e.g. UN, EU, China, Korea, India, US, UK and others).

Mike has worked with global organizations across dozens of countries, cultures and languages, well-travelled in EMEIA, APAC and the Americas.

All articles in this blog do NOT reflect the opinion of his employer, but are all an expression of his personal view of things.

By Michael Bunzel
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