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Döpfner “meint” mal wieder …

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Der allseits sympathische Mathias Döpfner hat wieder mal seine Medienformate bemüht, um seine ganz eigene Sicht der Dinge unter seiner Leserschaft zu streuen – zum einen in der Welt und zum anderen in Politico.

Döpfners Text liest sich wie die feuilletonistische Variante eines Knicks vor der Macht: höflich, geschniegelt, voller wohlmeinender Missverständnisse. Er nimmt Donald Trump beim Wort, nicht beim Handeln, und erklärt dessen erratische, destruktive Politik zur missverstandenen Sorge um Europas Stärke. Das ist kein Analysefehler mehr, das ist aktive Selbsttäuschung mit intellektuellem Anspruch.

Döpfner behandelt Trump, als sei er ein grobschlächtiger, aber im Kern rationaler Manager, der Europa nur härter anfassen müsse, um es zu besseren Leistungen zu treiben. Diese Lesart ignoriert mit beeindruckender Konsequenz, dass Trumps Politik kein kohärentes Ziel kennt außer Aufmerksamkeit, Loyalität und maximale Disruption. Trump will kein starkes Europa. Er will ein verunsichertes Europa, das dankbar ist, wenn es nicht gerade öffentlich gedemütigt wird. Stärke ist in diesem Weltbild kein Wert, sondern ein Kontrollproblem.

JD Vance ergänzt dieses Bild nicht, er radikalisiert es. Seine Angriffe auf Europa sind keine unbequemen Wahrheiten, sondern ideologische Kampfansagen. Wenn er europäischen Demokratien Zensur und moralischen Verfall vorwirft, geht es nicht um Reformen, sondern um Unterordnung. Unterstützung wird an kulturelle Konformität geknüpft. Wer das für Dialog hält, verwechselt Diplomatie mit Gesinnungsprüfung.

Döpfners Kunstgriff besteht darin, diese Realität umzudeuten. Er verwandelt Drohungen in Denkanstöße, Verachtung in pädagogische Strenge und institutionelle Sabotage in missverstandene Ehrlichkeit. Europa solle sich weniger empören und mehr zuhören. Das ist bemerkenswert, weil hier ausgerechnet jener Kontinent zur Selbstkritik ermahnt wird, der sich seit Jahren in endlosen Reform-, Koordinations- und Selbstzweifelschleifen befindet, während Trump Politik als improvisierte Machtdemonstration betreibt. Der eine reflektiert sich zu Tode, der andere regiert per Impuls. Döpfner findet: Der Erste sollte sich mehr am Zweiten orientieren.

Besonders unerquicklich ist dabei die Pose des Realismus. Döpfners Text gibt sich nüchtern, erwachsen, jenseits moralischer Empfindlichkeiten. Tatsächlich ist er normativ bis ins Mark. Er folgt der alten Hoffnung des liberal-konservativen Establishments, man könne autoritäre Akteure durch Anerkennung zivilisieren. Diese Hoffnung ist historisch gut dokumentiert und regelmäßig gescheitert. Trump nutzt Gespräche nicht, um Vertrauen aufzubauen, sondern um Machtverhältnisse zu testen. Wer ihm „zuhört“, signalisiert nicht Reife, sondern Verfügbarkeit.

Dass dieser Text ausgerechnet von einem der mächtigsten Medienmanager Europas stammt, macht ihn nicht harmloser, sondern gefährlicher. Döpfner ist kein Kommentator am Rand, sondern ein Akteur, der Diskurse prägt. Wenn er Trumps Politik semantisch entschärft, verschiebt er die Grenze des Sag- und Denkbaren. Autoritäre Verachtung wird zur unbequemen Wahrheit, Erratik zur Strategie, Kulturkampf zur ehrlichen Kritik. Das ist keine neutrale Einordnung, das ist publizistische Beihilfe zur Normalisierung von Machtmissbrauch.

Der vielleicht zynischste Zug des Textes ist die implizite Rollenverteilung. Europa soll erwachsen sein, reflektiert, lernbereit. Trump darf toben, drohen und destabilisieren, weil man ihn sonst angeblich nicht richtig versteht. Das ist keine Partnerschaft, das ist emotionale Erpressung auf geopolitischem Niveau. Wer sich darauf einlässt, verzichtet freiwillig auf politische Selbstachtung.

Am Ende bleibt ein Text, der mehr über seinen Autor aussagt als über sein Objekt. Döpfners Beitrag ist kein Plädoyer für europäische Stärke, sondern für europäische Anpassung. Er lädt Europa ein, sich kleiner zu machen, um als „stark“ anerkannt zu werden. Das ist nicht Realpolitik, das ist intellektuell verbrämte Unterwürfigkeit.

Trump und Vance sind kein Missverständnis, das man durch besseres Zuhören auflösen kann. Sie sind ein Machtangebot: Akzeptiere die Spielregeln oder verliere den Schutz. Wer dieses Angebot als freundliche Kritik verkauft, betreibt keine Analyse, sondern Schönfärberei im Dienst der Mächtigen. Und wer das aus der Position medialer Macht tut, sollte sich nicht wundern, wenn man ihm nicht Naivität, sondern Verantwortungslosigkeit vorwirft.

About the author

Michael Bunzel

Michael Bunzel (aka maschasan) is a lawyer and engineer currently living in Germany. He has been working in the field of Cybersecurity and related laws and regulations for over 25 years now.

Mike took on various roles and functions in the context of Information Security, Cybersecurity, and SCADA/Shopfloor Security at a German car manufacturer in southern Germany for more than fifteen years - currently in the R&D resort, with focus on E/E-systems in the context of automotive cybersecurity and related regulations in different markets (e.g. UN, EU, China, Korea, India, US, and others).

Mike has worked with global organizations across dozens of countries, cultures and languages, well-travelled in EMEIA, APAC and the Americas.

All articles in this blog do NOT reflect the opinion of his employer, but are all an expression of his personal view of things.

By Michael Bunzel
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