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China-Sanktionspolitik und ihre Folgen

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Im Ringen um politische und vorallem wirtschaftliche Vorherrschaft sind Sanktionen ein häufiges anzutreffendes und ebenso häufig untaugliches Mittel, um mittel- und langfristig die Oberhand zu gewinnen. Jüngstes Beispiel ist die US-Sanktionspolitik in Richtung China bezüglich des Zugangs des Reichs der Mitte zu State-of-the-art Chiptechnologie. Hierbei geht es nicht so sehr um den Import von Chips nach China (Intel generiert schließlich rund ein Viertel seines weltweiten Umsatzes im chinesichen Markt)1, sondern vielmehr um die Beschränkung des Zugangs zu sogenanntem SME – Semiconductor Manufacturing Equipment.

Natürlich hat China seine Abhängigkeit von “westlichem” Produktions-Know-how schon frühzeitig erkannt und mit der in 2015 initiierten Strategie “Made in China 2025”2 einen Plan auf den Weg gebracht, der bis 2049 reicht. Als Meilensteine dieser Strategie wurden 2025 (Kerneigenleistungs-bzw. -materialienquote von rund 70%), 2035 (China bewegt sich im Mittelfeld der Industriemächte) sowie 2049 (China steht als führende Industrienation an der Weltspitze der Volkswirtschaften) definiert3.

Ein maßgeblicher Meilenstein der MiC2025-Strategie ist unter anderem der Ausbau der als strategisch relevant identifizierten Schlüsselindustrien – insgesamt zehn an der Zahl, welche auch die Informations- und Kommunikationstechnologien mit einschließen. Die Aktivitäten in den als Schlüsselindustrien identifizierten Themenfeldern werden durch (ebenfalls in der MiC2025) klar definierte Aufgaben gesteuert, die die Umsetzung der Zielerreichung in der jeweiligen Schlüselindustrie sicherstellen sollen. Unter anderem finden sich hier Formulierung wie “Steigerung der Innovationsfähigkeit in der Fertigungsindustrie” sowie “Verstärkung der industriellen Basisfähigkeiten” oder “Förderung von technologischen Durchbrüchen in den zehn Schlüsselindustrien”. Die Umsetzung erfolgt sodann innerhalb bestimmter Projektinitiativen und in räumlich defnierten Projektregionen bzw. -metropolen.

Kommen wir jedoch wieder zurück zur Sanktionspolitik (welche auch als eine Reaktion auf die in der MiC2025-Strategie bezeichneten Ziele der KP China gesehen werden kann): Die Achse des Guten hat durch entsprechende Exportverbote und Sanktionslisten über die letzten Jahre versucht, den Zugang Chinas zu Fertigungswissen in der Halbleiterindustrie immer weiter einzuschränken in der Hoffnung, dass Unvermeidliche doch noch abwenden zu können.4 Hiebei war es schon fast fremdschämend zu sehen, wie die ansonsten so glühenden Verfechter des freien Marktes insgeheim hofften, als “Sieger” aus diesem Wirtschaftskrieg hervorzugehen. Schaut man sich einmal das Bild der langfristigen Import- und Exportbilanzen der größten westlichen Volkswirtschaften im Verhältnis zu China an5, so wird schnell deutlich, dass es in diesem Beziehungsgefüge keine Sieger geben kann (auch wenn manch ein neoliberal-nationalistischer ThinkTank das Gegenteil behauptet).

Bestes Beispiel ist die hier thematisierte Chipproduktion: In den vergangenen Jahren hat China Telecom, eines der drei großen staatlichen Telekommunikationsunternehmen mit etwa einer halben Milliarde Mobilfunkkunden sowie 200 Millionen Breitbandkunden, regelmäßig den Einkauf neuer Server ausgeschrieben, die zum Infrastrukturbetrieb des eigenen Netzwerks notwendig sind.

Diese Jahr hat China Telecom die hierfür erforderlichen Aufträge jedoch vor allem an einheimische Hersteller vergeben, die auch lokale Technologie verwenden. In der Ausschreibung wurden Anbieter gesucht, die über 156.000 Server herstellen können, wobei 13 verschiedenen Anforderungsspezifikationen genannt waren. Hierbei sticht ins Auge, dass eine maßgebliche Anforderung darin bestand, dass die Server von lokalen Herstellern – einschließlich Prozessoranbietern – produziert werden müssen.

Wenngleich die in China produzierten Prozessoren auf der ARM- oder der C86-Architektur (C86 ist eine chinesische x86-Variante) basieren und damit auch Drittanbieter aus Japan oder den USA noch in gewissem Umfange zum Zuge kommen können, ist die Marschrichtung jedoch klar vorgegeben – Unabhängigkeit von ausländischen Technologieherstellern ist das erklärte Ziel.

Insoweit ist es nicht verwunderlich, dass dieses Jahr AMD und Intel in einem Markt, den sie in China und andreswo in der vergangenen Jahren fest im Griff hatten, nicht mehr zum Zuge kamen.

Zu den Servern, die China Telecom in diesem Jahr gekauft hat, gehören insbesondere solche mit Prozessoren des lokalen Marktführers Loongson6, der eine Architektur entwickelt hat, die Elemente von RISC-V und MIPS kombiniert. Darüber hinaus finden sich auch Server mit der sog. Yongfeng-Architektur, die von Zhaoxin unter Verwendung der x86-Lizenz von Via entwickelt wurde, im Serverpark von China Telecom.

Dies ist freilich nur ein kleiner Snapshot aus der immer weiter eskalierenden Politik von Handelsverboten: So plant die US-Regierung ab 2027 ein Verbote von internetfähigen7 Fahrzeugen mit chinesicher Hard- oder Software im amerikanischen Markt8. Im Gegenzug stellt die Cybersecurity Association of China (CSAC) in einem länglichen Post in WeChat9 klar, dass Intels Chips mit Sicherheitslücken gespickt seien, und fügte hinzu, dass die „großen Mängel in der Produktqualität und im Sicherheitsmanagement des amerikanischen Unternehmens seine extrem unverantwortliche Haltung gegenüber den Kunden zeigen“. Garniert wurde dieses Shaming mit der Behauptung, dass Intel seit 2008 eine Hintertür in fast alle seine CPUs eingebaut habe und damit zu einem wesentlichen Baustein des von der NSA entwickelten „Sicherheitsabwehrsystems der nächsten Generation“ geworden sei. Diese Backdoors erlaubten es der USA, „eine ideale Überwachungsumgebung zu schaffen, in der nur die NSA geschützt ist und alle anderen ‚nackt‘ sind.“ und weiter „Dies stellt eine enorme Sicherheitsbedrohung für die kritische Informationsinfrastruktur von Ländern auf der ganzen Welt, einschließlich China, dar“,

  1. https://finance.yahoo.com/news/china-deals-blow-intels-turnaround-091000723.html?guccounter=1 ↩︎
  2. https://merics.org/en/report/made-china-2025 ↩︎
  3. https://cepr.org/voxeu/columns/actual-effect-chinas-made-china-2025-initiative-may-have-been-overestimated ↩︎
  4. https://hkcmanagement.de/hkcmnews/usa-und-japan-planen-neue-exportbeschrankungen-fur-chips-nach-china ↩︎
  5. https://www.iwkoeln.de/studien/simon-gerards-iglesias-juergen-matthes-chinas-abhaengigkeit-vom-westen-bei-importen-und-technologien.html ↩︎
  6. https://www.theregister.com/2024/10/21/loongson_3b6600_desktop_tease/?td=keepreading ↩︎
  7. “Internetfähig” meint in diesem Kontext die Fähigkeit des Fahrzeugs, entweder unmittelbar oder vermittelt über ein Fahrzeug-Backend Kommunikationsverbindungen mit öffentlichen IP-Adressen aufbauen zu können. ↩︎
  8. https://mp.weixin.qq.com/s/rgRmOfoPr7x1TZhyb-1ifg ↩︎

About the author

Michael Bunzel

Michael (Mike) Bunzel (aka maschasan) is a lawyer and engineer currently living in Germany. He has been working in the field of Cybersecurity and related laws and regulations for over 25 years now.

Mike took on various roles and functions in the context of Information Security, Cybersecurity, and SCADA/Shopfloor Security at a German car manufacturer in southern Germany for more than fifteen years now - currently in the R&D resort, with focus on E/E-systems in the context of automotive cybersecurity.

Mike has worked with global organizations across dozens of countries, cultures and languages, well-travelled in EMEIA, APAC and the Americas.

All articles in this blog do NOT reflect the opinion of his employer, but are all an expression of his personal view of things.

By Michael Bunzel
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